Nachrüstung vs. Neukauf: Zwei Wege, um digitale Systeme in Bus und Bahn anzubinden
Angesichts der steigenden Anforderungen an Echtzeitdaten und der Notwendigkeit, innovative Systeme wie ein neues Bezahlsystem, ein fortschrittliches Fahrgastzählsystem oder Fahrgast-WLAN in Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs zu integrieren, wird die IP-basierte Kommunikation zu einem entscheidenden Element für eine zeitgemäße IT-Systemarchitektur im Verkehr. Im Folgenden werden die Optionen der Fahrzeug-Nachrüstung und Fahrzeug-Neubeschaffung untersucht, um Verkehrsbetrieben dabei zu helfen, erfolgreich den Übergang von veralteten Technologien zu einer digitalen Infrastruktur zu vollziehen.
Inhalt
Warum die Umstellung auf IP-Kommunikation zwingend notwendig ist
Die bislang genutzte Analogtechnik mit seriellen Schnittstellen ist nicht für die Übertragung großer Datenmengen ausgelegt. IP-basierte Kommunikation dagegen bringt neben einer hohen Bandbreite auch weitere Vorzüge wie eine weitreichende Verbreitung, Standardisierung und Systemflexibilität mit sich.
Die zentrale Herausforderung in der Ära der Digitalisierung liegt darin, den Umgang mit umfangreichen Datenmengen zu beherrschen. Der Austausch von Daten muss nicht nur rasch und effizient erfolgen, sondern auch gemäß festgelegter Normen. Zudem ist die Vernetzung zahlreicher Teilnehmer aus diversen Standorten von Bedeutung, was eine leistungsfähige Netzwerk-Infrastruktur erfordert.
Um den Anforderungen komplexer Datennetze gerecht zu werden, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Netzwerkstandard IEEE802.3, besser bekannt als Ethernet, als führend etabliert. Der Ethernet-Standard wird durch die Implementierung eines Bordnetzwerks realisiert, in dem Ethernet Switches eine maßgebliche Rolle spielen. Die Kombination dieser Elemente ermöglicht eine effiziente Übertragung von Daten in Echtzeit und gewährleistet eine nahtlose Integration verschiedener Geräte in das Netzwerk. IP-Systeme dieser Art erfreuen sich aufgrund ihrer Robustheit, Skalierbarkeit, breiten Bandbreite und hohen Standardisierung einer beträchtlichen Beliebtheit.
Die Transformation hin zu IP-basierten und digitalisierten Fahrzeugen im öffentlichen Nahverkehr erfolgt in der Praxis auf zwei verschiedenen Wegen:
a) durch eine kontinuierliche Umrüstung mittels Neubeschaffung von Fahrzeugen oder
b) durch die Nachrüstung der bestehenden Flotte.
Entscheidend für die Wahl dieser Strategie sind diverse Kriterien wie die Flottengröße, zeitliche Vorgaben, finanzielle Aspekte und technische Anforderungen.
Kontinuierliche Umrüstung im ÖPNV durch Fahrzeug-Neubeschaffung
Eine Möglichkeit der Umrüstung stellt die kontinuierliche Beschaffung von Neufahrzeugen dar. Abhängig von der Größe eines Verkehrsbetriebs werden jährlich etwa 10 % einer Busflotte erneuert. Je nach politischen Klimaziele zur CO2-Neutralität kann diese Quote auch deutlich höher ausfallen. Dabei werden die Busse bei der Beschaffung so ausgeschrieben, dass sie bereits mit einer integrierten IP-Netzwerkinfrastruktur samt Ethernet Switches und Kabel vom Fahrzeughersteller ausgeliefert werden.
Diese Vorgehensweise bietet folgende Vorteile:
- Der Umstieg erfolgt kontinuierlich: Der Verkehrsbetrieb kann sich mit der Technologie im neuen Fahrzeug vertraut machen und sich um die notwendige IT-Infrastruktur und das Fachpersonal kümmern.
- Die Mehrkosten für eine IP-Netzwerkinfrastruktur, bestehend aus Ethernet-Verkabelung und Ethernet Switches machen in der Regel weniger als 0,5% der Gesamtkosten des Fahrzeugs aus. Dafür sind die Neufahrzeuge für zukünftige Anwendungen vorbereitet und müssen nicht nachträglich umgerüstet werden.
- Keine großen finanziellen Mittel notwendig
Die kontinuierliche Umrüstung hat einen zentralen Nachteil: die Dauer. Ausgehend von einer Erneuerungsquote von 10 % jährlich dauert die Umrüstung demnach 10 Jahre. In dieser Zeit müssen möglicherweise zwei unterschiedliche Systeme – analog und digital – betrieben werden. Diese Art der kontinuierlichen Umrüstung eignet sich besonders für Verkehrsbetriebe, die mit der Umstellung genügend Zeit haben, um Ihren Betrieb neu auszurichten, neues Fachpersonal zu gewinnen und sich mit IP-basierten Systemen auseinanderzusetzten.
Nachrüstung: der schnellste Weg zur digitalisierten Fahrzeugflotte
Die Nachrüstung der bestehenden Flotte bietet den schnellsten Weg zur Etablierung einer IP-basierten Fahrzeugkommunikation und somit zur Digitalisierung von Daten im Fahrzeug.
Für einen erfolgreichen Umrüstungsprozess initiiert der Verkehrsbetrieb ein dediziertes Projekt und definiert in der Ausschreibung die Netzwerkinfrastruktur separat. Eine präzise Planung der einzelnen Phasen sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen IT-Infrastruktur, Fahrzeugtechnik und Werkstatt sind von entscheidender Bedeutung.
In Bezug auf die Netzwerkinfrastruktur sind vier entscheidende Schritte für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich:
1. Netzwerkkonzept
- Definition der Netzwerkanforderungen
- Auswahl geeigneter Netzwerkkomponenten
- Erprobung des Konzepts im Labor
- Finalisierung der Konfigurationsvorgaben für das Netzwerk
>> Erfahren Sie mehr im Artikel Netzwerk-Infrastruktur im ÖPNV-Fahrzeug: Proof of Concept
2. Pilotbetrieb
- Erstinstallation in ausgewählten Fahrzeugen
- Erprobung und Optimierung während des Betriebs
- Vorbereitung für den flächendeckenden Einsatz
>> Erfahren Sie mehr im Artikel Netzwerk-Infrastruktur im ÖPNV-Fahrzeug: Pilotphase
3. Rollout
- Planmäßiger Einbau der Komponenten
- Inbetriebnahme der Netzwerkinfrastruktur
- Funktionstests für alle Teilnehmer
>> Erfahren Sie mehr im Artikel Netzwerk-Infrastruktur im ÖPNV-Fahrzeug: Rollout
4. Betrieb
- Gewährleistung eines erwartungsgemäßen Linienbetriebs
- Wartungsfreie Nutzung der Netzwerkinfrastruktur
- Möglichkeit zur Geräteerneuerung oder Updates bei Störungen oder Netzwerkerweiterungen
>> Erfahren Sie mehr im Artikel Netzwerk-Infrastruktur im ÖPNV-Fahrzeug: Betrieb
Der Zeitaufwand für die Nachrüstung variiert je nach Größe des Verkehrsbetriebs und Anzahl der Fahrzeuge und erstreckt sich in der Regel über einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten. Die Modernisierung der bestehenden Fahrzeuge bietet darüber hinaus diverse Vorzüge, wie beispielsweise eine verkürzte Phase mit zwei parallelen Systemen, eine zügige Implementierung neuer Funktionen wie Videoüberwachung, Fahrgastzählung und dynamische Fahrgastanzeigen mit Live-Daten, die einheitlich für die gesamte Flotte sind, sowie Flexibilität und Skalierbarkeit. Allerdings erfordert dieser Ansatz sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen.
Die Entscheidung für den passenden Weg in Ihrem Verkehrsbetrieb hängt von einer gründlichen Abwägung der genannten Faktoren ab.
Individuelle Abwägung für eine erfolgreiche Netzwerkumrüstung im Verkehrsbetrieb
Obwohl beide Optionen ihre Berechtigung haben, sollte die Entscheidung für den optimalen Weg aus der individuellen Situation des Verkehrsbetriebs resultieren. Dabei spielen folgende wichtige Fragen eine Rolle:
- Welche zeitlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben bestehen seitens der Stadtverwaltung oder der Politik?
- Welche finanziellen und personellen Ressourcen sind für die Umstellung des Netzwerks erforderlich?
- Welche Systeme sollen genau digitalisiert werden?
- Stehen Fördermittel oder Unterstützungen für die Netzwerkumrüstung zur Verfügung?
- Wie alt sind die Fahrzeuge im Durchschnitt und wie hoch ist die geplante Erneuerungsrate für die kommenden Jahre?
Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit über 70 Verkehrsbetrieben im Bereich der Netzwerkinfrastruktur verdeutlichen, dass es kein allumfassendes „Universalkonzept“ gibt. Sowohl kleine als auch große Betriebe mit Flotten von 10 bis 1000 Fahrzeugen können die Nachrüstung oder die kontinuierliche Umrüstung reibungslos planen und umsetzen. Dabei ist ein verlässlicher Partner wie TRONTEQ von entscheidender Bedeutung, um die Umsetzung digitaler IP-Netzwerke effizient und professionell zu realisieren.
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